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Informationen:

Was ist Ketamin, und wie wird es in der Therapie eingesetzt?

Alles eine Frage der Chemie, oder steht noch mehr dahinter?

Ketamin und sein therapeutischer Einsatz

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Das ist Ketamin

Ein Molekül mit vielfältigen Möglichkeiten

Ketamin ist in der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aufgeführt. Es hat einen gänzlich anderen Wirkmechanismus als alle anderen Antidepressiva. Es blockiert die sogenannten NMDA-Rezeptoren im Gehirn (als nicht-kompetitiver Antagonist am NMDA-Rezeptor). Neben der Wirkung am NMDA-Rezeptor wirkt Ketamin auch über eine Hemmung der Serotonin- und Noradrenalinwiederaufnahme, als σ-Rezeptoragonist sowie als µ-Rezeptoragonist. Die klinische Bedeutung dieser zusätzlichen Rezeptoraffinitäten ist gegenwärtig unklar. In den 1960er-Jahren wurde es in den USA entwickelt.

Ketamin, das bereits nach einmaliger Injektion Depressionen über längere Zeit zu lindern vermag, erzielt seine Wirkung einer Studie in Nature (https://www.nature.com/articles/nature25509) zufolge in den NMDA-Rezeptoren (bislang bezüglich der Pathogenese der Depression wenig beachteten Membrankanälen in den Habenulae, epiphysennahen Kernzentren).  Man geht davon aus, dass eine depressive Stimmungslage dadurch erklärt wird, dass plötzliche Entladungen („bursts“) solcher Nervenzellen (durch Aktivierung der NMDA-Rezeptoren) die Belohnungszentren des Gehirns hemmen. Unterbricht man diese Dysfunktion durch Blockierung der Rezeptoren (z.B. mit Ketaminzufuhr), löst sich dieser Pathomechanismus wieder und die Depression verschwindet.

Ungefähr 20 Prozent der Patienten, die unter Depressionen leiden, erweisen sich als therapieresistent. Spezialisten verwenden diesen Begriff, wenn zwei oder mehr Medikationsversuche mit Antidepressiva und psychotherapeutische Behandlungsversuche erfolglos blieben. Jahrelang lag der Fokus bei Pharmako-Therapie mit antidepressiven Wirkstoffen auf der Regulierung der Monoamine wie Serotonin, Noradrenalin, Dopamin und Melatonin. Was immer deutlicher wird: Die Forschung im Bereich antidepressiver Substanzen muss weitergehen und darf nicht isoliert das Monoamin-System betrachten: Will man die Therapie-Erfolge bei Depressionen verbessern, kommt man nicht daran vorbei, sich um das NMDA-System und weitere Regulationsmechanismen zu kümmern.

Die Entdeckung, dass Ketamin (ein sogenannter NMDA-Rezeptor-Antagonist) bereits nach einmaliger Gabe schwere Depressionen in weniger als einer Stunde durchbrechen kann („Hit-and-go-Wirkung“), gehört zu den wichtigsten Entdeckungen im Bereich der Psychiatrie der letzten Jahrzehnte. 

Erstaunlich ist, dass die Wirkung häufig über Wochen und sogar permanent anhält, obwohl Ketamin bei einer Halbwertzeit von etwa drei Stunden sehr schnell aus dem Körper eliminiert wird. Sogar das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IWQG)  sowie der Gemeinsame Bundesausschuss haben den Nutzen von Ketamin bestätigt – was nichts daran ändert, dass es nur unter kompetenter Aufsicht und keinesfalls im Freizeit- / Partybereich eingesetzt werden sollte.

Zulassung & Sicherheit

Im März 2019 hat die US Food and Drug Administration Ketamin zur Behandlung der therapieresistenten Depression zugelassen. Und auch in Europa und weiten teilen der Welt ist der Einsatz des Präparats als Off-Label-Therapie unproblematisch: Da das Präparat zugelassen ist, bedarf es nur der ausführlichen Information des Patienten. Off-Label-Therapien sind in vielen Bereichen der Medizin vollkommen normal und geläufig

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Ketamin-Therapie

Wie wirkt Ketamin im psychotherapeutischen Setting?

Ketamin kann zu dissoziativen Zuständen und Wachträumen führen. Das Wort dissoziativ kommt aus dem Lateinischen und meint auf Deutsch trennen. Im psychologischen Zusammenhang wird es benutzt, um zu beschreiben, dass sich ein Mensch während eines dissoziativen Zustands in seiner Wahrnehmung, Denken, Handeln oder Fühlen getrennt fühlt.

In der psychotherapeutischen Anwendung von Ketamin werden diese dissoziativen Zustände bewusst genutzt, damit der Patient in Kontakt mit Verdrängtem kommt. Diese psychoaktive Wirkung kann, vereinfacht gesprochen, neue Neuromodulationen im Gehirn entstehen lassen.

Das bedeutet konkret, dass die häufig sehr dysfunktionalen Gedankenmuster aufgebrochen werden können und Patient:innen in die Lage versetzt werden, sich überhaupt wieder für positivere Erfahrungen zu öffnen.

Ketamin entfaltet diese Neuromodulationen vor allem durch die Blockade bestimmter Glutamat-Rezeptoren. Das Gehirn wird leistungsfähiger, weil neue neuronale Verbindungen entstehen können. Genau dort setzt die Kombination von Ketamintherapie und Psychotherapie an: Der Patient bekommt mehr Zugang zu seinen tieferen Schichten und kann sich nach den Ketamin-Infusionen intensiver auf psychotherapeutische Sitzungen einlassen. Wie das genau funktioniert, ist allerdings noch nicht abschließend geklärt.

Die Behandlung ist nebenwirkungsarm, Ketamin ist nicht suchterzeugend und sehr gut verträglich, sollte aber nur unter bestimmten Bedingungen eingesetzt werden, nämlich immer dann, wenn die herkömmlichen Methoden wie Pharmako- und Psychotherapie nicht ausreichend wirkten bzw. an Nebenwirkungen oder Ausschlusskriterien scheiterten und wenn darauf geachtet wird, dass Menschen mit Psychosen, Bluthochdruck, schweren Herzerkrankungen, oder nach Schlaganfällen ausgeschlossen werden. Es muss auch beachtet werden, dass der Patient nach der Infusion für den Rest des Tages nicht fahrtauglich ist. Daher ist eine Begleitperson oder zumindest jemand erforderlich, der den Patienten abholt. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Seite der häufig gestellten Fragen (FAQ).

Wie fühlt es sich an?

Häufig verspüren die Patienten ein Gefühl der Wärme und vergleichen das mit einem Zustand leichten Angetrunkenseins.  Manchmal sind die Infusionen begleitet von Träumen. Sehr selten kommt es zu Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Verwirrung, Schwindel, Derealisation oder Schwitzen. Gelegentlich, aber nicht immer, kann es während der Infusion zu einer Wahrnehmungsbeeinträchtigung, einem sogenannten dissoziativen Erleben kommen, einem Gefühl zu schweben. Manche Patienten beschreiben das als eine Art „High-Gefühl“. Selbst wenn sie auftreten, werden all diese Empfindungen von den Patienten nach der Ketamin-Infusion nicht als unangenehm beschrieben. Nicht ohne Grund wurde und wird Ketamin bei ambulanten Anästhesien, bei Kindern, im Notarztwagen, im Kreißsaal und bei Kurznarkosen sehr gern eingesetzt und von den jeweiligen Ärzten geschätzt.

Was sieht die Medizin?

Mögliche Nebenwirkungen sind Blutdruckerhöhungen, Pulsbeschleunigungen, vermehrte Speichelproduktion. Das alles wird überwacht und bei Auffälligkeiten pharmakologisch kontrolliert.  Für Patienten mit schlecht eingestelltem oder hohem Blutdruck kommt die Behandlung dennoch nicht infrage. Auch kann es zu Hautrötungen und Schmerzen an der Einstichstelle kommen. Während der Infusion und der Nachüberwachungszeit erfolgt eine Überwachung mit EKG-Monitor, die Messung der Sauerstoffsättigung und des Blutdruckes.

Die Therapiewelt in Veränderung

Das beste aus Medizin und Psychologie

Interdisziplinäre Behandlungsformen sind zwar immer noch selten, genauso wie der Einsatz geeigneter Substanzen und Medikamente in der Psychotherapie, aber in den letzten Jahren deutet sich eine Veränderung an:

International steigt das Interesse an substanzbasierten Therapien für eine Vielzahl von psychischen Erkrankungen. Diese "psychedelische Renaissance" schliesst an die ausserordentlich vielversprechenden Erfahrungen der 60er und 70er an, die durch politische Entscheidungen (aus wissenschaftlicher Sicht Fehl-Entscheidungen) ein Ende fanden.

Diese weitreichenden Erfahrungen bieten die Grundlage für die breite Wissensbasis, auf der neuere Forschungen aufbauen können:

  • Sichere Anwendung
  • Immer breitere Anwendungsmöglichkeiten
  • Vielversprechende Langzeitwirkungen
  • Zunehmendes öffentliches Interesse

Ablauf der Therapie

Hier beschreiben wir im Detail, wie eine Ketamintherapie bei uns abläuft

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