
Die unsichtbare Krise:
Wie Trauma unsere Volkswirtschaft ca. 330 Milliarden kostet, JÄHRLICH!
Von Redaktion Aletheia | Juni 2025
Ein unterschätztes Phänomen
Die meisten Menschen denken bei „Trauma“ an Krieg, schwere Unfälle oder Naturkatastrophen. Doch moderne Traumaforschung zeichnet ein viel umfassenderes Bild. Traumata entstehen auch durch emotionale Vernachlässigung, Bindungsabbrüche, Missbrauch, chronischen Stress in Kindheit oder anhaltende Überforderung. Laut den international renommierten Traumaforschern Bessel van der Kolk und Gabor Maté leiden rund 80 % der Bevölkerung in irgendeiner Weise unter den Folgen solcher Erfahrungen – oft ohne es zu wissen.
Diese Traumafolgen verursachen nicht nur menschliches Leid. Sie sind auch eine gewaltige volkswirtschaftliche Belastung – mit Kosten in dreistelliger Milliardenhöhe. Gesundheitssystem, Arbeitsmarkt, Bildung, Justiz und Sozialsysteme sind massiv betroffen. In Deutschland summieren sich die direkten und indirekten Schäden auf geschätzt über 250 Milliarden Euro jährlich. Doch noch fehlt das öffentliche Bewusstsein für dieses strukturelle Problem.
Die wissenschaftliche Grundlage: Trauma ist allgegenwärtig
Traumata beeinflussen das Nervensystem, die Immunabwehr, den Hormonhaushalt und die Gehirnentwicklung. Bleiben sie unbehandelt, erhöhen sie das Risiko für eine Vielzahl von Erkrankungen:
- Psychische Störungen (Depression, Angst, Sucht, Borderline, PTBS)
- Chronische Schmerzen (Fibromyalgie, Migräne)
- Autoimmunerkrankungen
- Herz-Kreislauf-Störungen
- Verhaltensprobleme, Sucht und Beziehungsstörungen
Viele Symptome werden im medizinischen Alltag isoliert betrachtet, ohne das zugrunde liegende Trauma zu erkennen. Diese systematische Fehleinschätzung hat gravierende finanzielle Folgen.
I. Direkte Gesundheitskosten: Milliarden für Symptombehandlung
Das deutsche Gesundheitssystem gab 2023 rund 470 Milliarden Euro für medizinische Versorgung aus. Davon entfallen etwa:
- 37 Milliarden auf psychische Erkrankungen
- >400 Milliarden auf körperliche Erkrankungen, von denen ein erheblicher Anteil psychosomatisch mitbedingt ist
Nach Auswertung mehrerer Fachquellen kann man konservativ annehmen, dass 65 % aller Gesundheitskosten im Bereich Psychotherapie und mindestens 20 % der somatischen Gesundheitsausgaben auf Trauma-Folgestörungen zurückgehen.
Konservative Schätzung:
- Psychische Krankheiten traumaassoziiert: 24 Milliarden €
- Somatische Trauma-Folgekosten: 94 Milliarden €
- Gesamtsumme direkte Gesundheitskosten: 118 Milliarden Euro jährlich
II. Arbeitsausfälle & Produktivitätsverluste: Die stille Krise der Betriebe
Psychische Erkrankungen als Hauptursache für Krankschreibung
Laut dem DAK-Psychoreport 2023 verursachen psychische Erkrankungen inzwischen die längsten Fehlzeiten pro Fall (38 Tage im Schnitt). 140 Millionen Fehltage wurden allein durch sie ausgelöst – und die Dunkelziffer ist hoch, da viele Trauma-Folgestörungen als somatisch deklariert werden.
Präsentismus: Wenn Menschen krank arbeiten
Noch gravierender als Ausfälle ist der sogenannte Präsentismus – also das Arbeiten trotz Einschränkung. Studien gehen davon aus, dass Präsentismus das Zwei- bis Dreifache der Kosten von Fehlzeiten verursacht.
Geschätzte Schäden:
- Fehltage durch traumaassoziierte psychische Krankheiten: 23 Milliarden €
- Leistungseinbußen durch Präsentismus: 30 Milliarden €
- Gesamtsumme Arbeitsmarktbezogene Kosten: 53 Milliarden Euro jährlich
III. Sozialsysteme & langfristige Folgekosten
Frühverrentung und Erwerbsunfähigkeit
Mehr als 40 % der Rentenneuzugänge in Deutschland erfolgen aufgrund psychischer Erkrankungen – viele davon traumainduziert. Das führt zu hohen Sozialausgaben, Umschulungen und Transferleistungen.
Sucht, Kriminalität, Obdachlosigkeit
Suchterkrankungen – ob Alkohol, Medikamente oder Drogen – haben fast immer traumatische Ursachen. Auch viele Gewalttaten, Jugendkriminalität und Wohnungslosigkeit stehen im Zusammenhang mit unaufgelösten traumatischen Erfahrungen. Das verursacht:
- hohe Justiz- und Sicherheitskosten
- enorme Aufwände für Sozialarbeit, Therapie und Re-Integration
Gesamtschäden für Sozialsysteme & Folgephänomene:
- Frühverrentung und Erwerbsunfähigkeit: 25 Milliarden €
- Sucht und Gewaltfolgekosten (traumaassoziiert): 40 Milliarden €
- Gesamtsumme: 65 Milliarden Euro jährlich
IV. Weitere indirekte Kosten: Langfristiger Schaden für Bildung, Familien, Justiz
Kinder mit Bindungstrauma
Viele Kinder mit frühkindlichen Traumata zeigen Konzentrationsstörungen, Verhaltensprobleme, emotionale Labilität und Schulversagen. Das führt zu:
- erhöhtem Förderbedarf
- höheren Bildungsausgaben
- schlechteren Bildungsabschlüssen und Berufschancen
Justiz und Polizei
Unbehandelte Traumata führen zu Überreaktionen, Gewalt, Kontrollverlust – sowohl im familiären als auch im gesellschaftlichen Bereich. Die Polizei, Gerichte und Gefängnisse sind überlastet mit Fällen, die psychologisch verstanden und behandelt werden müssten.
Gesamtschaden in diesen Bereichen (geschätzt):
- Bildungssystem & Jugendhilfe: 5–10 Milliarden €
- Justiz & Polizei: 8–12 Milliarden €
- Gesamtsumme sonstige indirekte Kosten: 15–20 Milliarden Euro jährlich
V. Gesamtschaden durch Trauma: Eine konservative Schätzung
Bereich | Kosten (Mrd. € / Jahr) |
---|---|
Direkte Gesundheitskosten | 118 |
Arbeitsausfälle & Produktivitätsverluste | 53 |
Sozialsysteme & Langzeitfolgen | 65 |
Bildung, Justiz, weitere Folgen | 15–20 |
GESAMT | 250–260 Milliarden € |
Zum Vergleich: Der Bundeshaushalt Deutschlands für 2024 beträgt rund 450 Milliarden Euro. Das bedeutet: Traumafolgekosten verschlingen jährlich mehr als die Hälfte des gesamten Bundeshaushalts – ohne dass dies in den öffentlichen Debatten auch nur ansatzweise reflektiert wird.
Was ist zu tun? Eine neue Gesundheits- und Sozialpolitik
Die Gesellschaft braucht ein radikales Umdenken im Umgang mit Trauma:
- Frühprävention stärken: Elternbegleitung, traumasensible Kitas und Schulen
- Gesundheitssystem reformieren: Körperorientierte Psychotherapie, Somatic Experiencing, traumaspezifische Ausbildungen
- Psychotraumatologie in Ausbildung & Forschung etablieren
- Arbeitgeber aufklären und Betriebe traumasensibel gestalten
- Justiz und Polizei mit traumaspezifischem Wissen ausstatten
- Therapieangebote finanzieren, bevor Symptome chronifizieren
Fazit: Trauma heilt nicht von allein – und kostet uns alle
Trauma ist keine Privatangelegenheit einzelner Menschen. Es ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen mit immensen Folgen. Jeder unbehandelte seelische Schmerz kostet – menschlich, sozial, ökonomisch. In einer Zeit, in der über Digitalisierung, Klimaschutz und Rentenreformen diskutiert wird, fehlt ein Thema auf der politischen Agenda: Die gesellschaftliche Heilung psychischer Wunden.
Der volkswirtschaftliche Schaden ist nur ein Ausdruck davon. Der wahre Preis ist tiefer: gebrochene Biografien, verlorene Potenziale, vererbtes Leid. Es ist Zeit, die unsichtbare Krise sichtbar zu machen – und sie systematisch anzugehen.
Hinweis: Dieser Artikel basiert auf wissenschaftlichen Quellen und Schätzmodellen u.a. von Bessel van der Kolk, Gabor Maté, dem Robert-Koch-Institut, dem DAK-Psychoreport, dem Statistischen Bundesamt und Studien des Instituts der deutschen Wirtschaft.
Wir ergänzen den Artikel um den gewaltigen volkswirtschaftlichen Schaden, der durch krebsbedingte Kosten entsteht, unter der Annahme, dass 70 % aller Krebserkrankungen mittel- oder unmittelbar mit Trauma zusammenhängen. Diese Annahme ist durch zahlreiche Studien gestützt, die einen Zusammenhang zwischen chronischem Stress, unterdrückten Emotionen, Kindheitstrauma und dem Auftreten von Krebs belegen (siehe u.a. Gabor Maté: When the Body Says No).
VI. Krebserkrankungen als traumaassoziierte Volkskrankheit
1. Direkte medizinische Behandlungskosten für Krebs
Laut Daten des Statistischen Bundesamtes und des Robert-Koch-Instituts wurden in Deutschland im Jahr 2023 rund 28 Milliarden Euro für die Behandlung von Krebserkrankungen ausgegeben – inklusive Krankenhauskosten, ambulanter Behandlung, Medikation und Reha.
Traumaassoziierter Anteil (70 %):
→ ca. 20 Milliarden Euro jährlich
2. Produktivitätsverluste durch Krebsbedingte Arbeitsausfälle und Todesfälle
- Frühverrentung und Berufsunfähigkeit: Krebserkrankungen führen häufig zu dauerhaften Einschränkungen oder vollständiger Berufsunfähigkeit – insbesondere bei jüngeren Betroffenen.
- Todesfälle im erwerbsfähigen Alter: Laut RKI versterben jährlich ca. 70.000 Menschen unter 65 Jahren an Krebs. Der volkswirtschaftliche Schaden durch den Wegfall ihres Arbeitsbeitrags wird konservativ mit etwa 1 Million Euro pro Person beziffert (Einbußen durch fehlende Arbeitsleistung, Konsum, Steuern, Beiträge etc.).
Schätzung produktivitätsbezogener Verluste:
- Berufsunfähigkeit und Frühverrentung (traumaassoziiert): ca. 10 Milliarden €
- Todesfälle unter 65 (70 % traumaassoziiert): 70.000 × 1 Mio € × 70 % = ca. 49 Milliarden €
Gesamtsumme produktivitätsbezogener Verluste durch traumaassoziierte Krebserkrankungen:
→ ca. 59 Milliarden Euro jährlich
3. Gesamtkosten durch traumaassoziierte Krebserkrankungen (Deutschland)
Kategorie | Traumaassoziierter Schaden (Mrd. €) |
---|---|
Medizinische Behandlungskosten | 20 |
Arbeitsunfähigkeit & Frühverrentung | 10 |
Todesfallbedingter Ausfall an Wirtschaftsbeitrag | 49 |
Gesamtsumme | ≈ 79 Milliarden Euro jährlich |
VII. Aktualisierte Gesamtrechnung: Die wahre Dimension der Traumakosten
Unter Einbezug der traumaassoziierten Krebsfolgekosten ergibt sich ein dramatisch erweitertes Bild:
Bereich | Kosten (Mrd. € / Jahr) |
---|---|
Direkte Gesundheitskosten (ohne Krebs) | 118 |
Traumaassoziierte Krebserkrankungen | 79 |
Arbeitsausfälle & Produktivitätsverluste | 53 |
Sozialsysteme & Langzeitfolgen | 65 |
Bildung, Justiz, weitere indirekte Folgen | 15–20 |
GESAMT | ≈ 330–335 Milliarden € |
Fazit (aktualisiert): Trauma ist die teuerste unerkannte Ursache unserer Zeit
Mit einem jährlichen volkswirtschaftlichen Schaden von über 330 Milliarden Euro – fast 7,5 % des Bruttoinlandsprodukts Deutschlands – übersteigt das Ausmaß der durch Trauma verursachten Schäden jede Einzelkrankheit, jede Haushaltsposition, jedes bislang diskutierte „Systemproblem“.
Insbesondere der Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen und ungelösten psychischen Traumata ist gesellschaftlich noch kaum angekommen – obwohl die medizinische Forschung seit Jahren darauf hinweist, dass chronischer emotionaler Stress ein zentraler Mitverursacher für Immunschwächen und onkologische Prozesse ist.
